Elektronisches Fernabstimmen: Sturm im Wasserglas?

Art. 9 des Vorentwurfs der Verordnung „gegen die Abzockerei“ beschert den in der Schweiz börsenkotierten Unternehmen das elektronische Fernabstimmen. Was steht hinter dem etwas sperrigen Begriff? Neu müssen Aktionäre zwingend die Möglichkeit erhalten, ihr Stimmrecht für die Generalversammlung im Vorfeld indirekt und elektronisch ausüben, d.h. dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter zu jedem Verhandlungsgegenstand via Internet Weisungen und Vollmachten erteilen zu können. Damit wollen die Initianten und in der Folge auch der Verordnungsgeber die Hürden für die Stimmabgabe senken und die Aktionärspositionen an der GV stärken. Die elektronische Fernteilnahme kann insbesondere jene die Mehrheit der Aktionäre ansprechen, welche heute durch den physischen Anlass nicht zu erreichen ist. Die Aktionäre sollen ausserdem ihre Weisungen bis zu einer vom Emittenten vorgegeben Frist („cut-off“) online ändern bzw. widerrufen können. So können sie bis vor der GV noch auf aktuelle Informationen reagieren, z.B. auf zusätzliche Erläuterung des Verwaltungsrats zu Ablehnungsempfehlungen von institutionellen Aktionärsvertretern oder -beratern.

Ist das Ganze ein Sturm im Wasserglas oder müssen Unternehmen befürchten, dass ihre GVs organisatorisch aufwändiger und teurer werden? Von der Hand zu weisen ist der Zusatzaufwand keinesfalls, muss doch für das Fernabstimmen eine geeignete Plattform bereitgestellt werden. Grundsätzlich sind die Gesellschaften in der Ausgestaltung der elektronischen Identifikations- und Kommunikationssysteme frei, sofern die Aktionärsrechte dadurch nicht beschränkt werden. Sie können somit erstens) das elektronische Fernabstimmung an ein Unternehmen auslagern, das spezifisch diesen Dienst anbietet, oder zweitens) mit einem Full-Service-Anbieter für Aktienregister/GV zusammenarbeiten und die Dienste für die elektronische Fernabstimmung ebenfalls dort beziehen oder drittens) auch eine eigene Lösungen entwickeln und betreiben. Vor allem gegenüber dem letzten Ansatz werden allerdings verschiedentlich Vorbehalte geäussert, weil das Stimmgeheimnis der Aktionäre gegenüber dem Emittenten systemtechnisch nicht durchgehend gewährleistet sein könnte.

Die Kosten variieren somit abhängig vom strategischen Ansatz, vom Leistungsumfang der gewählten Lösung und natürlich auch von den zu bewältigenden Volumina. Der Markt bietet verschiedene Lösungen „ab Stange“, die unterschiedliche Bedürfnisse ansprechen. Allerdings kosten selbst massvolle Lösungen schnell einmal zehntausend Franken oder mehr. Immerhin wollen auch die Initianten vermeiden, „dass an die ‚elektronischen Vollmachen und Weisungen‘ impraktikabel hohe Anforderungen– mit den damit verbundenen Kostenfolgen – gestellt werden. So soll beispielsweise keine qualifizierte elektronische Signatur als Pendant zur eigenhändigen Unterschrift erforderlich sein.“ Auch seien an den Nachweis der Aktionärseigenschaft keine übermässigen Hürden zu stellen.

Zuletzt gilt es anzumerken, dass gemäss Verordnungsentwurf das elektronische Fernabstimmen ab der GV 2015 zwingend anzuwenden ist. Im Sinne eines Testlaufs kann dies bereits an der GV 2014 geschehen, womit Emittenten wertvolle Erfahrungen sammeln können. Wie viele Aktionäre ihre Meinung über die neuen Plattformen tatsächlich kundtun werden, ist eine allseits mit Spannung erwartete Erkenntnis.

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