Von Phrasen und Gemeinplätzen

„10 Words to Avoid in Your Press Releases” überschrieb PR News Online einen Beitrag über zehn Begriffe, die in Medienmitteilungen zu vermeiden seien. Namentlich sind dies: Solutions, Synergy, Bleeding edge/Cutting edge, Value-added, Outside the box, Industry-leading/Leader, Innovative, Disruptive, World class sowie Revolutionary. Die Headline kann auch für die entsprechenden deutschen Übersetzungen stehen. Wer regelmässig hiesige Medienmitteilungen liest, stellt fest: Floskeln, Gemeinplätze, Worthülsen, Anglizismen, Phrasen und Superlative sind auch hierzulande weit verbreitet.

Wüssten bzw. könnten es die PR-Strategen und -Schreiber nicht besser? Müssten sie sich ihrer Leerformeln nicht bewusst sein? Eigentlich schon. Aber eine Reihe von Sachzwängen verhindert offensichtlich bei Medienmitteilungen generell und bei den produktlastigen im Besonderen, dass die Sprache halbwegs nüchtern daherkommt und dass auf die Begriffswelt aus dem „Bullshit-Bingo“ verzichtet wird.

Zu allererst scheint ein Herdentrieb zu wirken: Die Verantwortlichen sind geneigt, Texte für die Unternehmenskommunikation in einem Stil zu verfassen, der aktuell das angebliche Mass der Dinge darstellt. So wird allzu oft ein angelsächsisch beeinflusster PR-Jargon verwendet, weil es eben andere Unternehmen und Organisationen auch so tun – oder weil sich die Verfasser dessen gar nicht mehr bewusst sind. Der Mut zur Differenzierung mittels klarer, schnörkelloser Sprache ist offensichtlich weniger ausgebildet als das sicherheitsgeprägte Mitschwimmen im vermeintlich sprachlichen Mainstream.

Nicht selten sind die sprachlichen Schaumschlägereien allerdings Programm, weil gezielt möglichst wenig Konkretes gesagt werden soll. Oder jede Medienmitteilung wird als reines Verkaufsinstrument betrachtet und entsprechend sprachlich getrimmt. Würden sich die Verfasser zwischenzeitlich in die Leserperspektive versetzen, merkten sie, wie dabei die Informationsgehalt und Substanz auf der Strecke bleiben.

Strukturelle Faktoren spielen häufig ebenfalls eine Rolle: So wirken bei der Erstellung von Medienmitteilungen in aller Regel neben der PR- oder Kommunikationsabteilung auch andere Hierarchien und Instanzen im Unternehmen wesentlich mit – von der Geschäftsleitung über Human Resources und den Rechtsdienst bis zur Marketingabteilung. Das Sprichwort von den vielen Köchen, die den Brei verderben bzw. den Text vernebeln, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn die verschiedenartigsten Ansprüche und Vorstellungen in ein und demselben Text erfüllt werden wollen, leidet darunter zwangsläufig die Prägnanz und die Leserfreundlichkeit.

Verfasser von PR-Texten tun demnach gut daran, ihre Verantwortung wahrzunehmen, indem sie Phrasen und Gemeinplätze möglichst vermeiden und dafür umso inhaltsreichere Inhalte generieren. Die Leserschaft verdankt es in jedem Fall, wenn Texte präzis sind und auf den Punkt kommen. Und die PR-Branche wäre kaum unglücklich darüber, wenn der Begriff ‚PR-Text‘ nicht mehr ständig als Synonym für schlechte Sprache und Inhalte wahrgenommen würde – und ein Branchenmagazin nicht mehr schulmeisterliche Ratschläge erteilen müsste…

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